Aufruf: Solidarität mit den Gorillas-Beschäftigten – Für ein umfassendes Streikrecht!


Im Oktober 2021 haben beim Lieferdienst Gorillas zahlreiche Beschäftigte gestreikt, weil Gorillas Löhne nicht gezahlt hat, Schutzausrüstung fehlte und die Arbeitsbedingungen miserabel waren. Das Management von Gorillas reagierte auf die Streiks mit fristlosen Kündigungen.
Der Streik war verbandslos, das heißt, es hat keine Gewerkschaft zu diesem Streik aufgerufen. Da das Streikrecht in Deutschland sehr restriktiv ist, werden verbandslose Streiks illegalisiert.
Gegen die Entlassungen haben mehrere Beschäftigte Kündigungsschutzklagen eingereicht. Bei ihrem ersten Prozess vor dem Arbeitsgericht im April 2022 wurden die Kündigungen von drei ehemaligen Gorillas-Beschäftigten bestätigt. Am 25. April 2023 findet der Prozess in der nächsten Instanz, dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg statt.

Insbesondere prekäre und migrantische Arbeiter*innen werden durch das reaktionäre deutsche Streikrecht in ihren Grundrechten eingeschränkt. Duygu Kaya, eine der entlassenen Gorillas-Beschäftigten und Mitglied des Gorillas Workers Collective hat in ihrer Erklärung beim Prozess am 6. April 2022 gesagt: „Ohne unser Recht auf verbandsfreien Streik ist unsere Arbeit nichts mehr als moderne, durch Richterrecht legalisierte Sklaverei.“ Langfristige gewerkschaftliche Organisierung ist in Bereichen mit befristeten Verträgen und hoher Fluktuation sehr schwierig. Durch das Verbot des verbandslosen Streiks soll den Beschäftigten ihre wichtigste Waffe genommen werden: die kollektive Arbeitsniederlegung. Alle Beschäftigten haben das Recht auf Streik, es muss umfassend sein und darf niemanden ausschließen!

Das Streikrecht wurde von dem Juristen Hans Carl Nipperdey geprägt. Er kommentierte während des Faschismus das Arbeitsrecht der Nazis, das sogenannte Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) und beteiligte sich in der „Akademie für Deutsches Recht“ an der Umsetzung der faschistischen Ideologie in Gesetze. Bis heute steht das deutsche Streikrecht in der reaktionären Tradition Nipperdeys, der ab 1954 Präsident des Bundesarbeitsgerichts war. Deswegen sind politische Streiks und verbandslose Streiks laut herrschendem Rechtsverständnis verboten. Streiks von Beamt*innen sind ebenfalls verboten. Auch Generalstreiks wie zum Beispiel in Frankreich gegen die Rentenreform würden hierzulande als rechtswidrig betrachtet werden.

Bis heute werden die Ansichten von Nipperdey durch Arbeitsgerichte übernommen. Das schränkt das Menschenrecht auf Streik ein und steht im Widerspruch zu internationalem Recht wie der Europäischen Sozialcharta. Darin wird allen Menschen das Recht auf Streik zugesprochen. Ein juristischer Erfolg der ehemaligen Gorillas-Beschäftigten würde allen Beschäftigten zu Gute kommen und wäre ein großer Fortschritt für unser Recht auf Streik. Wir setzen uns ein für ein umfassendes Streikrecht und unterstützen die ehemaligen Gorillas-Beschäftigten in ihrem Kampf!

25. April 2023 | Kundgebung | 10 Uhr | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | Magdeburger Platz 1

Call: Stand in solidarity with Gorillas employees – for a comprehensive right to strike


In October 2021, a large number of workers at Gorillas delivery service went on strike due to Gorillas not paying wages, missing protective gear and deplorable working conditions. Gorillas management responded to the strikes with instant dismissals.
This strike was a non-union strike. Since the right to strike is very restrictive in Germany, strikes not called by a union are considered illegal.

Several employees have filed „unfair dismissal suits“ (Kündigungsschutzklagen) against these dismissals. At their first trial at the labor court in April 2022, the dismissals of three former Gorillas employees were confirmed. On April 25, 2023, the trial will take place in the next higher court, the Berlin-Brandenburg Regional Labor Court.
Especially precarious and migrant workers are restricted in their basic rights by the reactionary German right to strike. Duygu Kaya, one of the fired Gorillas workers and a member of the Gorillas Workers Collective said in her statement at the trial on April 6, 2022: „Without our right to non-union strikes, our work is nothing more than modern slavery legalized by case law.“ Long-term unionization is very difficult in fields with temporary contracts and high turnover. The ban on non-union strikes is designed to deprive workers of their most important weapon: the collective work stoppage. All workers have the right to strike, it must be comprehensive and must not exclude anyone!

The right to strike was historically shaped by the jurist Hans Carl Nipperdey. During fascism, he commented on the Nazi labor law, the so-called „Law on the Order of National Work“, and participated in the „Academy for German Law“ in the implementation of fascist ideology in laws. To this day, German strike law remains in the reactionary tradition of Nipperdey, who became president of the Federal Labor Court in 1954. Therefore, political strikes and non-union strikes are prohibited according to the prevailing legal understanding. Strikes by civil servants are also prohibited. General strikes, such as those in France against pension reform, would also be considered illegal in this country.

To this day, Nipperdey’s views are adopted by labor courts. This restricts the human right to strike and is contrary to international law such as the European Social Charter in which all people are granted the right to strike. A legal victory for the former Gorillas employees would benefit all employees and would be a major step forward for our right to strike. We stand up for a comprehensive right to strike and support the former Gorillas employees in their struggle!

April 25, 2023 | Rally | 10 am | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | Magdeburger Platz 1